Dieser Offene Brief wurde am 23. Juli 2020 an das Jüdische Forum, den Zentralrat der Juden in Deutschland und in CC an die Redaktionen von RT Deutsch, KenFM, Nachdenkseiten und Rubikon sowie Dr. Daniele Ganser und Dr. Jens Bengen gesendet.
Sehr geehrte Damen und Herren des Jüdischen Forums,

wir wenden uns heute ein zweites Mal mit einem Offenen Brief an Sie, da wir auf unseren ersten Brief keine Antwort erhalten haben und nun entdecken mussten, dass Sie mit einer weiteren Dokumentation die Veranstaltung von Rüdiger Hoffmann und staatenlos.info am 11. Juli 2020 vor dem Reichstag in einer Weise beschrieben haben, die wir wiederum sehr befremdlich finden. Uns ist bewusst, dass die Wahrnehmungen sehr unterschiedlich sein können und deshalb wollen wir Sie mit diesem Brief noch einmal einladen, in einen offenen und sachlichen Dialog einzutreten. Dies könnten wir uns auch an einem anderen Ort als den Reichstag sehr gut vorstellen.
Wären Sie für ein solches Gespräch bereit?
Uns fällt es im Augenblick sehr schwer daran zu glauben, dass Sie an einem Dialog interessiert sind und wir verstehen Ihren neuen Beitrag „Angriff auf Pressefreiheit – Antisemitismus vor dem Reichstag am 11. Juli 2020“ auch ein wenig als Antwort auf unseren Offenen Brief vom 6. Juli 2020. Wir möchten an dieser Stelle betonen, dass wir nicht Teil von staatenlos.info sind, aber wir dem aufgegriffenen Thema von Rüdiger Hoffmann und staatenlos.info positiv, interessiert und wohlwollend gegenüberstehen. Wir haben bisher auch noch keinen Grund zu der Annahme, dass es sich bei den Aussagen von Rüdiger Hoffmann und staatenlos.info um rechtsextremistische und antisemitische Inhalte handelt.
Hingegen haben wir in Ihrem Beitrag ein Quellenverzeichnis gefunden, dass in keinster Weise den Ansprüchen einer ordentlichen journalistischen Arbeit entspricht. Dies gilt sowohl für die angegebenen Primär-, als auch die Sekundärquellen, die allesamt von anderen Interessensgruppen stammen. Auf dieses Kapitel Ihres Beitrages wollen wir uns aber nicht konzentrieren, da es von dem eigentlichen Themenkomplex ablenkt.
Wenn wir Ihre Dokumentation zusammenfassend betrachten und die Diffamierungen ignorieren, verdichtet sich bei uns der Eindruck, dass Sie Rüdiger Hoffmann und staatenlos.info unterstellen, dass die Argumente und Ziele nur als Vorwand benutzt werden. Diese Annahme stützen wir auf der folgenden Aussage:
Hoffmanns Thesen, die er immer wieder auf seinen Kundgebungen vorträgt, scheinen mitunter schwer zu durchdringen – ein ehemaliger NPD-Politiker, der heute reichsbürgernahe Veranstaltungen durchführt, auf denen auch Rechtsextreme der NPD teilnehmen, der sich allerdings für eine „Entnazifizierung“ einsetzt und das Symbol der „Weißen Rose“ benutzt, scheint widersprüchlich, zumal Hoffmann sich wiederholt als „Antifaschisten“ bezeichnet.
Jüdisches Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus e. V. (JFDA) – Angriff auf Pressefreiheit – Antisemitismus vor dem Reichstag am 11. Juli 2020
Sehen wir das richtig?
Wenn wir Ihren Text ohne die vielen Behauptungen und Zuschreibungen lesen, könnte man meinen, dass Sie Rüdiger Hoffmann unterstellen, dass er sich hinter einer Maskerade versteckt. Um was zu tun? Um sich vor seiner NPD-Vergangenheit zu verstecken? Sie schreiben dazu:
Trotz seiner bekannten neonazistischen Biografie beschreibt er sich inzwischen selbst als Antifaschisten.
Jüdisches Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus e. V. (JFDA) – Angriff auf Pressefreiheit – Antisemitismus vor dem Reichstag am 11. Juli 2020
Könnte es sein, dass wir, die wir weder eine NPD-Vergangenheit haben und uns auch eher im politisch links-grünen Spektrum verorten würden und sogar Jüdinnen und Juden unter uns haben, von Rüdiger Hoffmann einfach einen anderen Eindruck haben? Wollen wir das Gerede über staatenlos.info, unglücklich verlaufende Kundgebungen und der Person Hoffmann nicht einmal beiseite räumen und uns mit den Kernaussagen beschäftigen?
Der eigentliche Knackpunkt und das Thema
Eine der zentralen Fragen, der wir uns stellen sollten, ist die Frage nach der Entnazifizierung der deutschen Person. Hier müssen wir Sie ganz konkret fragen, ob Sie etwas dagegen haben oder ob Sie dies vielleicht für überflüssig halten?
Wir kommen für uns zu dem Schluss, dass es für jeden Deutschen ein Erfordernis und sogar eine Pflicht ist, diese Entnazifizierung einzufordern. Im Artikel 139 GG wird dargelegt, dass die zur Entnazifizierung und Entmilitarisierung erlassenen Bestimmungen vom Grundgesetz nicht berührt werden.
Warum wurde dieser Artikel nicht gestrichen?
Ist das Jüdische Forum gegen eine Entnazifizierung der Person und wenn ja, warum?
Wir würden sehr gerne mit Ihnen über diese Frage sprechen und gerne Ihre Antwort oder Ihre Sicht dazu erfahren.
Eine weitere Frage, die aufgeworfen wird, ist die Frage nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Dass der Krieg noch nicht zu Ende ist, könnte man u.a. daran erkennen, dass Deutschland noch immer für die Besatzungskosten aufkommt.
Einige von uns haben in den letzten Jahren in Ramstein und Büchel für den Abzug der amerikanischen Stützpunkte und Truppen demonstriert und es ist uns eines der größten Anliegen, für Frieden und Völkerverständigung in dieser Welt zu sorgen und uns dafür auch einzusetzen. Es geht also auch um einen oder sogar viele Friedensverträge, die geschlossen werden könnten, wenn wir diesen Zweiten Weltkrieg beenden.
Die Reden von Eugen Drewermann, Dr. Daniele Ganser, Albrecht Müller und Willy Wimmer in der Erlöserkirche in Kaiserslautern waren für uns ein starker Impuls wieder vehementer für den Frieden auf der Welt einzustehen.
Dass wir Ihnen diese Fragen stellen, hat auch damit zu tun, dass wir glauben, dass uns eine gemeinsame Liebe mit vielen Menschen verbindet und diese Liebe können wir vielleicht mit drei Liedern am besten ausdrücken. Wenn wir diese drei Lieder nebeneinanderstellen, können Sie vielleicht ermessen, was für Ziele und Wünsche wir verfolgen.
FRIEDEN FÜR ALLE VÖLKER
Kinderhymne | Jerusalem of Gold | Le Beirut
Vor diesem Hintergrund und um des lieben Friedens willen möchten wir Sie darum bitten, mit uns in ein sachliches und respektvolles Miteinander zu kommen und mit uns zu sprechen.
In Liebe und mit den besten Wünschen
Christl Probst
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Sie finden diesen Offenen Brief unter der folgenden Adresse: https://solidaradar.de/offener-brief-juedisches-forum-frieden-voelkerverstaendigung